Das 19. Jahrhundert

Mit der französischen Revolution hatte der Weg aus einer vom Feudalismus beherrschten Gesellschaft zum freiheitlich-demokratisch geprägten System der Neuzeit begonnen.

Das Zeitalter der Aufklärung führte, wiederum von Frankreich ausgehend, auch in Deutschland zu bahnbrechenden Veränderungen. Schiller, Goethe, Lessing, Beethoven, Schubert, Brahms haben heute für viele ihren Glanz verloren. Das aber liegt nicht an deren ‘altmodischen‘ Themen, sondern am Wandel des kulturellen Selbstverständnisses, an veränderter Kenntnis- und Interessenlage unserer medial bestimmten Gesellschaft.

Beobachtung der Natur in ihren funktionalen und physikalischen Zusammenhängen – auch ihre Schönheit – waren nicht nur für Goethe Zentrum des neu erwachten Wissendurstes.

Prägend und zukunftsweisend: Naturwissenschaftliche Forschung, die auf Darwins Evolutionslehre beruhte.

Das Volk erhob sich und revoltierte gegen veraltete, menschenunwürdige Herrschaftsformen, gegen unsinnige Vorschriften und Drangsal. Das Thema Auswanderung, zunehmend interessanter für viele, wurde in Gedichten beschrieben.

segelBis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren Segelschiffe das gängige Transportmittel auf den Weltmeeren. Nach Brasilien dauerte die Reise drei Monate und fand unter heute unvorstellbaren Bedingungen statt.

Durch den Einsatz von Dampfschiffen, anfangs noch Dampfsegler, verkürzte sich die Reisezeit von drei Monaten auf ca. 14 Tage bzw. 3 Wochen.

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Dampfsegler Olinda

 

Zudem führte die Umstellung von handwerklicher Arbeit auf maschinell betriebene Produktion zu umwälzenden Veränderungen der Lebensverhältnisse. Auch in Deutschland waren bald die Folgen dieses Wandels spürbar. Die industrielle Revolution veränderte die Gesellschaft von Grund auf und führte zu einschneidenden Umbrüchen in der sozialen und kulturellen Struktur des Landes.

damaIndem durch den Einsatz von Dampfmaschinen ländliche Handwerksbetriebe ihre Existenzgrundlage verloren, mussten sie aufgegeben werden. Frauen und Kinder, deren Web- und Spinnarbeiten für den Lebensunterhalt unverzichtbar waren, wurden arbeitslos. Denn nun war die maschinelle Herstellung und Verarbeitung von Stoffen viel billiger. So zerfielen jahrhundertealte Strukturen, und die Landbevölkerung verarmte.

 

Dampfpflug

Dampfpflug als Ersatz für Pflug, Egge, Sichel, Hacke, Pferd und Wagen

Als sozialer Fortschritt galt die Aufhebung der Leibeigenschaft (1807 Preußen, 1808 Bayern, 1817 Württemberg, 1832 Sächsische Oberlausitz, 1849 Österreich, 1861 Russland) – und damit die Befreiung der Bauern von ‘Hand- und Spanndiensten‘, von ‘Fronarbeit‘ für ihre Herrschaft, die Grundherren.

Doch damit besserte sich die Lage der Bauern nicht. Plötzlich unabhängig, mussten sie sogleich für den eigenen Unterhalt, für Leib und Leben der kinderreichen Familien, für Haus und Hof, für medizinische Versorgung, für Futtermittel und Saatgut, aufkommen. All dies war bis dahin Aufgabe der Grundherren. Sie herrschten nach wie vor über Land und Leute, und sie bestimmten die Preise für das, was die Bauern nun bei ihnen einkaufen mussten. Wovon? Geldwirtschaft war ihnen fremd. Um zahlen zu können, mussten sie zunächst die Ernte und dann, nach und nach, die eigene Scholle verkaufen – an die, nun die Preise bestimmenden Grundherren. So entstand, z. B. in ‘Ostelbien‘, besonders in Schlesien und Ostpreußen, Großgrundbesitz von bis dahin unbekannten Ausmaßen. Vom ‘Bauernlegen‘ war die Rede.

Immer mehr Männer verließen Haus, Hof und Familie, zogen in die Städte. Einsam, aber in Massen lebten sie in Mietskasernen und arbeiteten als Ungelernte in mächtigen Fabriken – für einen Hungerlohn. (Geburtsstunde der Gewerkschaften.)

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Nach und nach – viele konnten weder schreiben noch lesen – verloren sie die Verbindung zu ihren Familien und damit ihre einst unanfechtbare Stellung als ‚‘pater familias‘ auf dem Land.

Wieder unterlagen sie einem System der Ausbeutung. Nun der Unterwerfung unter das Gesetz der gewinnorientierten industriellen Produktion. Diese Menschen hatten Heimat und Identität verloren. Viele wanderten aus und suchten eine neue.

Schiff im Sturm vor Rio

Schiff im Sturm vor Rio

Jutta Blumenau-Niesel

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