Hochwasser in Blumenau
Überschwemmungen in Flusstälern sind naturgegeben. Das wussten auch die Deutschen, als sie 1850 an den Ufern des großen Flusses Itajaí siedelten und als solide Existenzsicherung Wassermühlen für Holzschnitt, Ölfrüchte, Getreide anlegten.
Im Oktober 1852 stieg das Wasser so hoch, dass fast alles, was in mühevoller Arbeit entstanden war, von dieser Urgewalt weggerissen wurde: Häuser, Brücken, Ställe, Vieh, die neuen Mühlen.
Fassungslos standen die Siedler vor dieser Katastrophe.
Da der Gründer derzeit bei der Regierung in Rio um finanzielle Hilfe für die Siedlung warb, richteten die Bewohner alle Wut gegen seinen Kompagnon Hackradt. Der stellte fest, dass dieser Standort keinen wirtschaftlichen Gewinn bringen könnte – was für das Bestehen des Privatunternehmens Blumenau & Hackradt und damit für die Existenz der Siedler lebenswichtig war, kündigte die Zusammenarbeit und ließ sich die Kredite zurückzahlen. Für Blumenau eine Katastrophe. Nun stand er, im Jahr zwei nach Gründung dieses deutschen Dorfes im brasilianischen Urwald, vor den Ruinen seines so hochherzig geplanten Siedlungsprojekts und war pleite.
Anders aber als Hackradt, gab Blumenau nicht auf, weil er vom Vorsatz, den Eingewanderten eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, nicht abließ, nicht ablassen konnte: er hatte diese Menschen als Angestellte und Arbeiter in Deutschland angeworben und fühlte sich für ihr Wohlergehen persönlich verantwortlich.
Zwischen 1851 und 1880 war der Itajaí zehn Mal über die Ufer getreten. Stets haben die Blumenauer dem Element getrotzt und wieder aufgebaut. 1880 sollte es anders kommen.
Auszug aus Blumenaus Bericht:
Eines meiner Häuser, in dem mein Buchhalter und mein Gärtner wohnten, und das auf einer schönen Landzunge errichtet war, wurde durch die Wut des entfesselten Elementes fortgerissen… Ich bin im allgemeinen nicht weich, konnte aber nicht verhindern, dass ich wie ein Kind weinte, als ich bei meiner Ankunft überall das Bild der Zerstörung sah…alles (war) verschwunden… an der Stelle lag eine zerwühlte Uferböschung und eine Sandbank. Am ganzen Flusslauf und an viel gefährdeteren Orten war nicht ein einziges Haus zerstört worden…
Dem letzten Satz Am ganzen Flusslauf und an viel gefährdeteren Orten war nicht ein einziges Haus zerstört worden mögen wir in Anbetracht der nachgewiesenen Verwüstungen keinen rechten Glauben schenken.
Wir fragen uns, warum Bewohner hochgefährdeter Regionen ihr Anwesen nicht verlassen haben.
Warum hatte man Hermann Blumenau als er der Regierung seinen Siedlungsplatz vorlegte, nichts über Macht und Gefahr des großen Flusses gesagt?
Auch heute leben Menschen in hochwassergefährdeten Regionen – in Blumenau, im Tal des Itajaí bis hinunter zum Atlantischen Ozean und im gesamten Land. Bis elf Meter, so sagen die Blumenauer, besteht keine größere Gefahr! Bevor das Wasser bedrohlich ansteigt, wird das Erdgeschoss ausgeräumt. So ist es auch heute. Starke Nachbarn helfen Schwachen, packen mit an, wenn z. B. das Klavier auf den Dachboden bzw. in die erste Etage gehievt werden muß. Bis heute sind Blumenauer für ihre Hilfsbereitschaft bekannt und – gefragt.
‘Gewöhnliche‘ Hochwasser richten keine größeren Schäden an. Schlimm waren 1852:16,30 m, 1855:13,30 m, 1880:17,10 m, 1911:16,90 m,1983:14,50 m, 2008:16.30 m.
Im Hochwasser 1983 hatten zahllose Menschen ihre Bleibe verloren. Die Schäden waren immens. Rettung brachte die geniale Idee eines Stadtverordneten: Er kopierte das Münchner Oktoberfest, das seit 1984 jedes Jahr in Blumenau stattfindet und mit bis zu einer Million Besuchern aus aller Welt, die Stadtkasse erheblich aufbessert.
Mittlerweile imitieren mehrere brasilianische Städte das Münchner Wies‘nfest, weil es richtig viel Geld bringt.
Nach der Hochwasserkatastrophe vom November 2008 hat die Blumenau-Gesellschaft 6000 Euro zusammengebracht! Wir konnten die Summe in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche in Blumenau und Neuendettelsau/Bayern vorteilhaft transferieren und mit Beratung von Pastor Gierus wirklich Bedürftigen in der Stadt und auf dem Land zu Hilfe kommen.
Jutta Blumenau-Niesel